Wieder mal ein guter Beitrag von Dir, Martin @Triple-M.Triple-M hat geschrieben: ↑5. Apr 2023, 13:52@Assimya : Ich bin mir nicht sicher, wie man sich auf einen Reifendruck einigen kann. Da gibt es Vorgaben vom Hersteller. Nun ist deine Kombination aus V6 mit 255/275 zwar nicht Serie, dennoch geben die Serienangaben einen Anhaltspunkt.
Bei einem 2016er EU-Mustang, egal ob Ecoboost oder V8, egal ob mit 255/255 oder 255/275, egal ob unbeladen oder beladen und egal ob unter oder über 160 km/h gilt immer: 2,2 bar kalt an der VA und HA. Es ist gängige Expertenmeinung, dass der vom Fahrzeughersteller empfohlene Druck aus Erwägungen wie Kraftstoffeffizienz oder Verschleißreduzierung um 0,2 bar angehoben werden kann. Das Optimum liegt also zwischen 2,2 - 2,4 bar auf allen vier Reifen. Wie dann die Kombi aus 2,4 VR, 2,5 VL und 2,7 HA zustande kommt erschließt sich mir nicht.
Lass dich auch nicht irritieren von Aussagen wie: Fährt mit 3,0 bar 1a. So jemand bewegt sein Auto wie eine Wanderdüne!
Der Reifen ist die einzige Verbindung vom Fahrzeug zur Fahrbahn. Das letzte Quäntchen Haftung entscheidet über Abflug oder auf der Straße bleiben. Ich würde dir rundherum 2,3 bar kalt empfehlen.
Viele Grüße
Martin
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Leider ist das Thema so komplex, dass selbst diese richtigen Hinweise in die Irre führen, wenn man zwei oder sogar drei oder vier weitere, immer gegebene Variablen nicht berücksichtigt.
Erstens: Temperatur. Es macht einen sehr deutlichen Unterschied, ob man bei +5°C oder bei +25°C Umgebungstemperatur den kalten Reifen misst. Weil es ja 20°C Unterschied ist, weil Luft sich beim Erwärmen ausdehnt und sich, wenn das durch den umgebenden Reifen in dessen Innerem nicht so recht möglich ist, der Druck erhöht. Entsprechend sind bei +5°C eingefüllte 2,2bar dann bei +25°C deutlich mehr.
Um die empfohlenen Temperaturangaben wirklich vergleichbar zu machen, bräuchte man eine Bezugstemperatur. Denn: Auch der Reifen selbst verändert sein Verhalten mit der Temperatur. Das heisst, wenn man (Beispiel) bei +5°C einen Druck von 2.2 bar misst und (einmal so getan, als ob das möglich wäre) 5 Minuten später die Außentemperatur auf 25°C gestiegen wäre und man 2.4bar misst, dann muss das nicht die richtige Temperatur sein und auch ein Absenken auf 2.2 bar kann falsch sein.
Was da nun perfekt ist, dafür muss man Erfahrungswerte haben oder es durch Versuch heraus finden. Die Herstellerangaben sind dabei immer der richtige Ausgangspunkt, beinhalten aber leider immer zu wenig Information.
Zweitens: Der Reifen. Wir haben in diesem Forum vielfach zwei recht extreme Reifen verglichen, daher nehme ich dieses Beispiel: Michelin mit seinen typischer Weise weichen Reifenflanken und breit ausfallenden Laufflächen gegen Hankook mit seinen typischer Weise sehr steifen Flanken und eher schmalen Laufflächen. Michelin braucht im Vergleich, wie schon aus der Theorie erwartbar, immer um die 0,2bar mehr als Reifen mit steifer Flanke wie Hankook.
Dazu kommen möglicherweise unterschiedliche Größen: Wer ultraflache Reifengrößen fährt, wird schon deswegen eher steife Flanken haben, muss aber bei extremen Höhen-Breitenverhältnissen nicht weniger, sondern mehr Druck fahren, um ein Durchschlagen zu vermeiden oder die geringere Temperaturerhöhung wegen weniger Walkarbeit auszugleichen. Entsprechend anders kann sich der Reifen oder das gesamte Fahrzeug verhalten.
Drittens: Das Fahrwerk. Denn hat man bspw. die Spur sehr weit verbreitert, kann auch dies Einflüsse auf die Temperaturen im Betrieb bei Kurvenfahrt und die nach dem Kaltstart entstehenden Temperaturkurven haben. Entsprechendes gilt für Reifenbreiten und die Flankenhöhen und auch das Verhältnis zwischen Felgenbreite und Reifenbreite hat einen deutlichen Einfluß. Ein 305/30R20, den ich auf einem anderen Mustang mit einer 10x20 Felge fahren durfte, verhält sich völlig anders als mein 275/35R20 auf der gleich dimensionierten 10x20 Felge meines Mustangs.
Viertens: Auch der Fahrer ist Teil des Systems. Wie Du schon erwähnt hast, schiebt der eine sein Auto herum. Der fährt dann auch keine "Temperatur in die Reifen hinein". Das bedeutet aber auch, dass er dann richtig liegt, etwas mehr Kaltluftdruck zu fahren, als derjenige, der sein Auto so bewegt, dass er durch die andere Beanspruchung des Autos mehrere Zehntel bar mehr an Reifentemperatur im Betrieb erzeugt.
Auch kann der Druck, der für die Landstraßenhatz optimal ist, für Autobahn-Tempobolzerei zu gering sein - je nach Reifenfabrikat- und Größe mehr oder weniger.
Allein durch den Wechsel auf einen schmaleren 275/35 auf meinen 10x20 Sommerfelgen anstelle der vorherigen 285/35 und den Wechsel auf Michelin Pilot Sport 4s stellte ich fest, dass mein Auto 0,2 bis 0,3 bar mehr Kaltluftdruck (bezogen auf 10°C) brauchte.
Ich musste mich regelrecht überwinden, diese deutlich höheren Drücke einzufüllen. Es lohnte sich aber, auch wenn ich dies anfangs nicht gern akzeptierte, weil mir die Drücke gefühlt zu hoch waren. Mehr Stabilität und ein über die Temperatur stabilerer Grip (weniger Kaltgripp, dafür erheblich späteres temperaturbedingtes "Schmieren" des Reifens sowie bessere Hochgeschwindigkeitsstabilität) waren die Folge.
Durch diese zusätzlichen Faktoren können Deine an sich völlig richtigen Ratschläge sich ins Gegenteil verkehren, wenn man sie sklavisch immer befolgt, obwohl sich einer oder mehrere der anderen Einflußfaktoren verändern. Leider, leider, hängt alles von allem ab und leider ist es fast nie so einfach, wie es anfangs scheint.

P.S.: Eins ist an "Deiner" Tabelle jedenfalls bei meinem Auto mit 265/35R20 auf 10x20" vorn und 275/35R20 auf 10x20" mit Michelin PS4s definitiv falsch: Dass das Auto oberhalb 160km/h den gleichen Luftdruck braucht, wie darunter. Es braucht mehr. Etwa 0,2bar. Es sei denn, dass man sowieso immer mit diesem höheren Druck fährt und dann bei Normalfahrt einen leicht überhöhten Druck in Kauf nimmt. Was jedenfalls bei diesen Reifengrößen, meinem Fahrwerksstand und diesem Reifen auch geht und letztlich Geschmackssache ist.