So, das wird jetzt etwas länger, schon mal zur Vorwarnung.
Wir sind gestern um 11 Uhr aus Gävle aufgebrochen. Ich entscheide mich dafür die E4 am bottnischen Meerbusen hochzufahren. Normalerweise nehme ich die E45. Die E4 ist mehr autobahnähnlich ausgebaut, besitzt oftmals eine bauliche Trennung zum Gegenverkehr und führt eher an größere Städte entlang. Die E45 führt durchs Landesinnere, ist eher eine Landstraße. Da auf der E45 seltener gestreut wird, ist sie mir eigentlich lieber. Aber aufgrund der Temperaturen über den Gefrierpunkt hab ich mir erhofft dass die E4 weitgehend salzfrei ist und mich dafür entschieden.
Die meiste Zeit der Fahrt hatte es ca. 4° C und die Straßen waren feucht. Landschaftlich gar nicht so viel langweiliger die E45, da wir immer wieder an schöne Seen vorbei kommen. Gegen Abend war es zunehmend anstrengend zu fahren, da das Tauwasser wieder tiefe Pfützen an den Fahrbahnrand gebildet hat. Die sieht man im Dunkeln recht spät. Das Fahrzeug wird durch die Pfützen immer etwas unruhig, und als dann immer wieder vereiste Stellen auf der Straße war wollte man jegliche Unruhe im Fahrzeug vermeiden. Also galt es vorausschauend zu beobachten und die beste Fahrlinie zu wählen.
Irgendwann ging der Nieselregen in leichten Schneeregen über, der auf der Straße auch gefroren war. Es war kein reines Blitzeis, weil der Schneeanteil im Schneeregen noch groß genug war, aber natürlich trotzdem ziemlich glatt. Bei Spurrillen, die es auf vereisten und verschneiten Straßen öfter hat, verhält sich das Pony etwas nervös. Aber ich denke dass liegt an meinen recht hohen Sturz an der Vorderachse. Auch sehr unschön sind die kleinen Unebenheiten auf einer älteren festgefahren Schnee- und Eisschicht. Ich schätze das entsteht ähnlich wie eine Wellblechpiste, und auch dadurch dass immer wieder kleine Stücke aus dem festgefahrenen Schnee rausbrechen. Jedenfalls rumpelt es gewaltig, und viele Verkleidungsteile im Innenraum klappern. Da machen sich jetzt auch meine Uniball Domlager und die Querlenker mit den spielfreien Präzisionslager negativ bemerkbar. Eigentlich hab ich den Innenraum im Mustang als relativ klapperfrei in Erinnerung, aber die Pisten hier sind erbarmungslos und hatten es damals auch geschafft meinen Audi zum rumpeln zu bringen. Gegen späten Abend verlassen wir die E4 und fahren auf die E10, jetzt sind wir auf einer Landstraße unterwegs und fahren weg von der Küste ins Landesinnere. Die Fahrzeuge werden immer seltener, gefühlt kommt nur noch jede halbe Stunde ein Auto oder LKW entgegen. Trotz Schnee und Eis sind dank der breiten Straße und weitläufigen Kurven 100 km/h locker drin, ein plötzliches Hindernis darf da natürlich nicht auftauchen. Wir überqueren den nördlichen Polarkreis:

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Die nächste Unterkunft ist eine Hütte für sagenhafte 30 € die Nacht, Check In bis 24:00 Uhr. Knapp, aber könnte hinhauen. Die Straße dorthin ist ein Traum. Kein Verkehr, eine glatte und dadurch ruhige Schneepiste, relativ viel Grip und sanfte Kurven. Leichtes Untersteuern und übersteuern sind beides provozierbar, und der Nässe- und Schneemodus regelt rechtzeitig rein.
Kurz vor Mitternacht erreichen wir das abgelegene Dorf Nattavaara By, allerdings finden wir die Hausnummer unserer Hütte nicht. Wir rufen an, am Telefon ein engagierter Mann der sich Mühe gibt uns zu lotsen. Aber gar nicht so einfach, da hier alle Häser ziemlich ähnlich aussehen. Er sagt, wir müssten eine Nebenstraße den Berg runter fahren. Gesagt, getan. Ich fahre eine kleine Nebenstraße bergab. Plötzlich seh ich dass es sich um eine schmale Sackgasse ohne Wendemöglichkeit handelt, das war also nicht die Straße die er gemeint hat. Beim rückwärts zurück fahren schaff ich nicht ganz den Berg hoch, die Steigung ist an einer Stelle zu stark und die Möglichkeit zum Anlauf nehmen zu klein. Mehrere Versuche scheitern. Also mach ich mich raus um die Schneeketten aufzuziehen:

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Leider sind die Komfort Ketten auch nicht so das Wahre, auch mit denen klappt es nicht. Herkömmliche Schneeketten wäre wahrscheinlich besser gewesen, aber ich glaube die passen nicht auf nem tiefergelegten Mustang. Ok, ich mich am Telefon vom Vermieter dann zu Fuß zur Hütte lotsen lassen. Dort ein paar Schaufeln besorgt und an die Arbeit gemacht. Leider ist der Schnee so fest dass man ihn kaum wegschaufeln kann, aber immer noch tief genug dass er sich eingräbt bei Schlupf. Also gut, wir zum nächsten Rollsplitbehälter gelaufen und einen Eimer mit Rollsplit voll gemacht. Der Rollsplit hat tatsächlich geholfen wenn man reichlich davon verwendet hat, allerdings reichte es dann nur für 2 m. Die Steigung die überwinden werden musste hatte ca 15 m. Zwischenzeitlich sind die direkten Anwohner auf uns aufmerksam geworden, mittlerweile ist es schon ca. 1 Uhr morgens. Das Paar versucht uns zu helfen, aber alles schieben und schaufeln nützt nichts. Nach ein paar Meter Anlauf gräbt sich das Fahrzeug immer wieder ein, durch die geringe Bodenfreiheit setzt er dann auch schnell auf. Ich hab wirklich alles versucht, viel Gas, wenig Gas, Traktionskontrolle an, ESC aus. Obwohl ich solche Herausforderungen mich frei zu fahren eigentlich mag, hat es irgendwann schon an den Nerven gezehrt weil es selbst nach über zwei Stunden partout nicht klappen wollte.

Leider hat der Mustang soweit ich weiß keine Möglichkeit um am Heck abgeschleppt zu werden. Ansonsten hätte ich entspannt auf den nächsten Tag gewartet um mich dann von jemanden raus ziehen zu lassen. Aber ich wusste jetzt aufzugeben würde das Problem nur verschieben. Ich wollte auch nicht riskieren dass das Auto beim Abschleppen an einer nicht dafür vorgesehenen Stelle gezogen und eventuell noch Schaden angerichtet wird. Also weiter schaufeln und Rollsplit holen. Wir haben ca. 100 kg Rollsplit transportiert und verteilt. Und dann, endlich, nach weiteren Versuchen hat es tatsächlich mit etwas Anlauf geklappt.

Mittlerweile war es auch schon 3 Uhr morgens und wir durchgefroren und am Ende unserer Kräfte, geschlagene 3 Stunden haben wir geackert. Als ich mich bei den Anwohnern bedankt habe ist mir vor Erschöpfung schon leicht schwindlig geworden.
Im Nachhinein mega dämlich und unnötig diesen Weg entlang zu fahren, das hätte man mit etwas mehr Aufmerksamkeit wahrscheinlich schon früh genug als Sackgasse enttarnen können.
Trotzdem hatte es auch seine gute Seite, ich hab mich schon die letzten Tage über mangelnde körperliche Aktivitäten beschwert. Berufsbedingt bewege ich mich auch viel zu wenig. Da tat die Aktion doch körperlich ganz gut.
In der Hütte hatte es zum Glück eine spezielle Heizung für meine klatschnassen Schuhe:

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So sieht's hier am nächsten Tag aus:

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To do Liste:
Wenn ich wieder zurück bin, checken lassen ob man hinten eine Abschleppöse am Rahmen schweißen lassen kann.