Tja, ich denke bei dem Senioren-Thema zuerst an meinen Papa und an meinen Schwiegerpapa.
Mein Papa war früher ein exzellenter Autofahrer. Dafür, dass er mit seinen 3 Söhnen auf der Rückbank auf der Autobahn in den 70ern Tempo 200 fuhr, würden ihn manche Leute heute kreuzigen. Wir saßen damals eng beieinander und haben uns zwischen den Vordersitzen die Köpfe gequetscht, damit wir alle auf den Tacho blicken konnten und haben unseren Vater angefeuert. Heute ist Papa über 90 und hat merklich nachgelassen. Aber soweit, dass man ihm die rote Karte zeigen müsste, soweit ist es noch nicht.
Schwiegerpapa fuhr gut Motorrad, das hatte er als junger Mann gemacht, das war wohl im Langzeitgedächtnis.
Als Autofahrer war er lausig. Aber das lag wohl auch an der nervösen und hyperängstlichen Schwiegermama, denn wenn er mit mir allein im Auto saß, fuhr er besser. Mit 71 kaufte er sein letztes neues Auto, den ersten mit Automatik (besser für die Sicherheit). Als der Wagen 15 Jahre alt war, war er rundum eingedellt, alles Park-Karambolagen (er wollte keine Piepser haben). Im letzten Jahr reduzierte er seine Fahrten und fuhr nur noch bekannte Strecken am hellichten Tag, und nur wenn er sich fit fühlte. Er war regelmäßig beim Arzt, auch beim Augenarzt. In seinem letzten Lebensjahr mit 87 wurden es so noch 800km im Jahr. Ist nicht viel, aber ohne Auto wäre sein Leben nicht mehr lebenswert gewesen, meinte er damals.
Natürlich gibt es auch die, die sich nicht mehr selber richtig einschätzen können. Von denen würden viele das Fahren freiwillig aufhören, wenn sie nicht so alleine wären, eine Alternative hätten. Die wirklich rücksichtslosen Rentner sind sehr selten. Was allerdings ein Unterschied ist, das ist die Bewertung des Risikos. Die heute jungen Menschen haben unglaublich dicke Ellenbogen und maßen sich sehr stark an, alleine die Maßstäbe für die Beurteilung aller Probleme zu setzen. Und sie sind unglaublich auf Sicherheit fixiert und schätzen die Freiheit gering. Ihre Intoleranz besteht darin zu ignorieren, dass andere Generationen ihr Leben AUCH nach den eigenen Maßstäben führen möchten und dies bereits über Jahrzehnte erfolgreich getan haben. Die haben nämlich auch den Wohlstand geschaffen, den die jüngere Erbengeneration gerade aufzehrt.
Eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Landstraßen gibt es in West-Deutschland erst seit 1972 und in den 60er Jahren wurde noch in den Abendnachrichten als überaus positiv vermerkt, dass die Polizei 60km/h innerorts dulden würde und erst darüber ein Foto gemacht würde. Ich schreibe das nicht als Behauptung, dass dies alles "besser" war, sondern nur zum Verständnis, was für die heute alten Leute damals die tägliche Normalität war.
@highgate : Ja, einer unserer Nachbarn hat auch so ein 45-km/h Leichtauto. Ich war erstaunt, als er mir erzählte, dass er sich einen "Ligier" gekauft hätte. Vor meinem geistigen Auge sah ich das Bild eines alten Formel-1-Wagens, an so eine Kiste hätte ich nicht gedacht. Ist aber vernünftig, weil erhält die Mobilität, ist kompakt, übersichtlich, mit 45 nicht zu schnell, günstig im Unterhalt und bei Unfällen wirkt auf die anderen (wenig Masse, geringe Vmax) nur recht geringe kinetische Energie.
https://www.ligier.de